Die Baukrise bringt 300.000 Arbeitsplätze in Gefahr

2006 gab es im Bauhauptgewerbe noch 710.000 Beschäftigte. 16 Jahre später, 2022, ist diese Zahl auf 927.000 Arbeitnehmer angewachsen. Doch durch den Bau-Stau sind jetzt 300.000 Arbeitsplätze in Gefahr. Unsere Regierung riskiert den Wegfall von knapp einem Drittel der Arbeitsplätze in der Baubranche.

Wodurch dieser Rückgang entsteht

Wird weniger gebaut, werden auch weniger Menschen am Bau benötigt. Laut dem Statistischen Bundesamt ging die Zahl der Baugenehmigungen 2023 drastisch zurück: Von Januar bis August 2023 wurden 28,3% weniger Wohnungen genehmigt, verglichen mit dem Vorjahreszeitraum. Die Zahl der genehmigten Einfamilienhäuser geriet sogar noch mehr unter Druck (-38%) und der Rückgang bei Doppelhäusern (- 52,5%) ist alarmierend.

Zu den Ursachen für diesen Rückgang gehören die gestiegenen Materialkosten und Lieferengpässe infolge von Corona, die gestiegenen Energiepreise seit dem Einmarsch Russlands in der Ukraine und eine Inflation auf einem Rekordhoch. All dies treibt die Preise am Bau in die Höhe. Aber andere Länder müssen auch damit umgehen, und schaffen es. Deutschland nicht, unser Land liegt auf dem letzten Platz in Europa beim Wohnungsneubau. Deutschland als Schlusslicht im Wohnungsneubau – für diese Krisensituation ist die  Politik maßgeblich verantwortlich.

Auf dem letzten Platz in Europa beim Wohnungsneubau

Wurden in Deutschland 2022 in absoluten Zahlen noch 295.000 Wohnungen gebaut, werden für 2024 nur noch 177.000 Wohnungen erwartet. Das entspricht einem Minus von circa 40% im Wohnungsneubau bis 2025.
2023 bis 2024 wird europaweit lediglich ein Minus von 3% beim Wohnungsneubau erwartet.
Welche große Rolle die gesetzlichen Rahmenbedingungen beim Bauwesen spielen, lässt sich gut am Beispiel der Nachbarländer Ungarn und Slowakei zeigen: Während für Ungarn bis 2025 ein Minus von 29% prognostiziert wird, wird für die Slowakei ein Plus von 11% erwartet. In der Slowakei arbeitet die Regierung seit 2023 mit privaten Investoren zusammen, um staatlich geförderte Mietwohnungen zu schaffen. Dafür verpflichten sich die Investoren, die soziale Preisbindung für 25 Jahre zu erhalten, wenn sie neue Wohnungen bauen. Im Gegenzug erhalten sie üppige staatliche Hilfen und Garantien.

Bauministerin Geywitz macht die Augen zu

Bundesbauministerin Klara Geywitz will keine Versäumnisse auf Seiten des Staates sehen. Sie sähe zwar die Gefahr von einem Rückfall wie bei der letzten großen Baukrise 1997, von der Deutschland Jahre brauchte, um sich zu erholen. Dennoch verteidigt sie die Tatenlosigkeit der Ampel-Koalition in den letzten zwei Jahren, da ihrer Ansicht nach Bauförderungen die Preise nur zusätzlich angeheizt hätten. Sie führt an, dass schon 2021 keine Handwerker mehr zu finden waren und die Baubranche demnach voll ausgelastet gewesen wäre.

2023 erreichte der Handwerkermangel mit 250.000 unbesetzten Stellen einen Rekordwert. Die Bautätigkeit in Deutschland befindet sich 2023  auf dem tiefsten Niveau seit Jahren. Dabei fällt der Rückgang der Bautätigkeit jedoch deutlich größer aus, als dass es über den Rückgang und Mangel an Fachkräften erklärbar wäre.

Demzufolge ist jetzt schnelles und engagiertes politisches Handeln zwingend erforderlich, um den weiteren Rückgang im Baugewerbe und den drohenden Verlust zahlreicher Arbeitsplätze aufzuhalten.

Anzuzweifeln ist auch das Argument, dass Bauförderungen die Preise hätten steigen lassen.
Vergrößert sich das Angebot, sinken die Preise.
Verknappt sich das Angebot, steigen sie. Dies gilt insbesondere für den angespannten Mietmarkt. Da Deutschland in Europa das Mieterland Nummer 1 mit einem Mieteranteil von über 50% ist, ist diese Verkennung marktwirtschaftlicher Grundsätze besonders gefährlich.

Politische Lösungen sind dringend erforderlich

2022 gab es in der Baubranche 927.000 Arbeitnehmer. Von Januar bis August 2023 sind die Baugenehmigungen im Wohnungsbau um 28,3% zurückgegangen. Wird der Bau-Stau nicht aufgelöst, drohen 300.000 Arbeitsplätze verloren zu gehen.

Die Corona-Pandemie hat die Volatilität im Arbeitsmarkt und dessen Dynamik weiter erhöht: Viele Arbeitnehmer, die während der Pandemie ihren Job verloren haben, haben sich neu orientiert und eine Beschäftigung in anderen Branchen gesucht. Die Bindungsbereitschaft hat dabei deutlich abgenommen: Waren es 2019 noch 75%, die länger als ein Jahr beim Arbeitgeber bleiben wollten, sind es vier Jahre später nur noch 55%.

Um in Zeiten des Fachkräftemangels und einer hohen Fluktuation am Arbeitsmarkt auch in Zukunft handlungsfähig zu bleiben, ist es unerlässlich, dass die Wohnbau-Agenda für Deutschland vollständig umgesetzt und der Abbau der Arbeitsplätze verhindert wird. Will man in Zukunft mindestens 400.000 Wohnungen pro Jahr errichten, braucht es diese Substanz an Arbeitskräften, um die Bautätigkeit schnell wieder hochfahren zu können.

Schafft die Politik nicht schnell neue Rahmenbedingungen für die Baubranche, drohen bei einem raschen Abbau von 300.000 Arbeitsplätzen knapp 140.000 Arbeitnehmer in andere Branchen abzuwandern. In Zeiten des Fachkräftemangels ist das eine Katastrophe enormen Ausmaßes, die Erinnerungen an die Baukrise aus dem Jahr 1997 weckt, von der auch Frau Geywitz sprach. Packt die Politik die Probleme nicht schnell an, indem sie auf Grundlage der Wohnbau-Agenda für Deutschland neue Rahmenbedingungen für die Baubranche schafft, werden 300.000 Arbeitsplätze dauerhaft verloren gehen.